Was uns an ETFs stört
Für Privatanleger in Deutschland sind sogenannte Exchange Traded Funds (ETFs) die einzige Möglichkeit, in Indexfonds zu investieren. Daraus folgt jedoch nicht, dass ETFs auch für institutionelle und professionelle Investoren, wie Vermögensverwalter, die erste Wahl sein müssen.
Unser Ziel bei der Vermögensanlage ist es, mehr Wert zu schaffen, verglichen mit dem, was wir kosten. Die theoretische Grundlage dazu liefern die Lehre der „Zielorientierten Geldanlage” und die „Moderne Portfoliotheorie”. Und für die Umsetzung suchen wir für unsere Kunden die Produkte, mit denen sich dies am erfolgreichsten realisieren lässt. Aus diesem Blickwinkel sind es gleich drei Dinge, die uns bei ETFs nicht gefallen, strukturell, konzeptionell und strategisch.
Strukturell lieben wir „einfach”. ETFs sind aber nicht einfach, sondern komplexe Finanzprodukte mit den entsprechenden Gefahren für diejenigen, die das nicht verstehen. Die Geburtsstunde der ETFs reicht zurück in die siebziger Jahre. Die Finanzforschung hatte gezeigt, dass der erfolgreiche Anleger nicht in Einzeltitel, sondern in Märkte investieren sollte. Da nicht jeder Anleger das Vermögen hat, um gleichzeitig Aktien von mehreren tausend Unternehmen zu kaufen, war der traditionelle Indexfonds, der Gelder vieler Anleger bündelt und mit diesen dann breit gestreut investiert, eine gute Idee. Einfach, langweilig – und im Grunde braucht man weltweit nur zwanzig oder dreißig Stück und damit wären alle Anleger super bedient.
Tatsächlich haben wir, Stand heute, allein in Deutschland über 1.400 ETFs, die an der Börse gehandelt werden. Zusätzlich kommen fast täglich neue hinzu, während auf der anderen Seit in den letzten fünf Jahren ein Viertel der vorhandenen ETFs wieder liquidiert wurde. Offensichtlich ist hier etwas aus dem Ruder gelaufen. Was ist passiert?
Historisch gesehen, sind die ETFs als Lösung auf ein Problem entstanden, mit welchem traditionelle Indexfonds zu kämpfen hatten: kaufen und verkaufen wenige Anleger ihre Fondsanteile häufig, so entstehen dadurch Transaktionskosten, die jedoch über das Fondsvermögen auf alle Fondsanleger umgelegt werden. Anleger mit sehr viel Handelstätigkeit führen so dazu, dass die Kosten auch für die passiven Buy-and-Hold-Anleger steigen und der Fonds unattraktiver wird. Hier kommt der ETF als Lösung: Beim ETF kann der einzelne Anleger keine Fondsanteile mehr bei der Fondsgesellschaft kaufen. Stattdessen gibt es eine Hand voll autorisierter Gegenparteien (typischerweise Banken), die Fondsanteile schaffen oder löschen können, indem sie jeweils den ganzen Korb aller Einzeltitel des ETFs am Markt kaufen und diesen dann bei der Fondsgesellschaft gegen einen ETF-Anteil eintauschen, oder umgekehrt. Und diesen Anteil verkaufen sie dann an der Börse an Anleger weiter. Das machen sie immer dann, wenn eine hohe Nachfrage nach den Anteilen an der Börse ist (oder umgekehrt) und ansonsten handeln die Anleger die Anteile untereinander über die Börse selbst. Dass die autorisierten Banken ihre Funktion missbrauchen und den Preis künstlich in die Höhe treiben wird verhindert, indem stets mehrere autorisierte Banken miteinander im Wettbewerb stehen. Im Ergebnis sind die Transaktionskosten für den Handel mit ETF Anteilen nicht mehr in den Fondskosten, sondern werden vom jeweiligen Käufer oder Verkäufer direkt selbst gezahlt. Ganz schön kompliziert, nicht wahr? Aber wenn alles so funktioniert, ziemlich smart.
Wenn alles funktioniert. Leider ist die Finanzindustrie nicht für Selbstbeschränkung und Vernunft bekannt, sondern wenn irgendwo ein Geschäft ist, will jeder mit dabei sein. Die ETF-Idee funktioniert bei breiten Körben viel gehandelter (liquider) Wertpapiere. Aber heute gibt es auf alles und jeden einen ETF. Es gibt Gold ETFs (wer braucht so etwas?), Aktienoptionen ETFs (dito), ETFs auf illiquide Schwellenlandanleihen und vieles mehr. Und all das wird wie geschnitten Brot an unbedarfte Privatkunden verkauft, weil ETFs ja „gut” sind. Ob da alle noch wissen, was sie tun? Und wenn das nächste Mal Panikverkäufer an den Börsen unterwegs sind und solche exotischen ETFs illiquide werden und die Anleger nicht mehr an ihr Geld kommen, ob dann noch alle sorgfältig Äpfel von Birnen unterscheiden?
Konzeptionell wird beim ETF der Bock zum Gärtner gemacht und fehlendes Finetuning ignoriert. Ich stelle mir einen Großinvestor vor, der bspw. in Deutschland in Immobilien investieren möchte. Um ein Gefühl für den Markt zu bekommen, schaut er sich die Mietspiegel verschiedener Städte und Regionen an. Doch wenn er dann investieren will, wird er ja nicht hergehen und sagen: „Ich will genau die Wohnungen kaufen, deren Miete im Mietspiegel erfasst wurde.” Genau das macht aber der ETF. Er kauft nicht im gewünschten Stadtteil die Wohnungen, die verglichen mit dem Mietspiegel einen guten Preis haben, sondern er kauft genau nur die Wohnungen, die im Mietspiegel stehen und keine sonst.
Das ist nicht optimal. Und obendrein wird die Liste der Titel im Index in der Regel nur einmal im Jahr angepasst. Im Bild meines Newsletters von letztem Monat ist das wie ein Pilot, der nur einmal im Jahr vorbeikommt, um nach dem rechten Kurs zu sehen; - suboptimal.
Und zuletzt, strategisch, bleiben etwa 30 % der vorhandenen Werttreiber für einen langfristigen Investor auf der Strecke. Die Finanzwissenschaft hat gezeigt, dass es gewisse Risikofaktoren gibt, die ausgewogen übergewichtet werden sollten, weil sie langfristig zu einer Mehrrendite von etwa 30 % führen. Konkret lohnt es sich, kleine Unternehmen, Substanzwerte und profitable Unternehmen überzugewichten und in Unternehmen aus Ländern mit höheren politischen Risiken zu investieren. Es lohnt sich, Werte mit Momentum zu erkennen und gesondert zu behandeln und es lohnt sich, Laufzeit- und Bonitätsrisiken nur dosiert und in den Marktphasen einzusetzen, in denen sie auch einen Mehrertrag versprechen.
Das ist somit eine ganze Liste von Eigenschaften, nach denen Wertpapiere zusätzlich zu bewerten sind, ob sie diese Eigenschaft besitzen oder nicht. Bei der praktischen Umsetzung dieses Vorhabens stößt man zumindest heute noch beim Versuch das mittels ETFs zu realisieren an seine Grenzen. Und zwar aus verschiedenen Gründen:
Einerseits sind die gesuchten Eigenschaften vielfach negativ miteinander korreliert. Es gibt bspw. ETFs, die in erster Linie Substanzwerte enthalten. Dies sind jedoch gleichzeitig primär große Unternehmen. Und es gibt ETFs, die in erster Linie Kleinunternehmen enthalten. Dies sind jedoch gleichzeitig primär Wachstumswerte (das Gegenteil von Substanzwerten). Der Versuch das Portfolio durch Beimischung dieser beiden ETFs gleichzeitig in Richtung Substanz und Kleinunternehmen überzugewichten macht sich also selbst zunichte. Das Ergebnis ist mehr oder weniger das Ausgangsportfolio, nur komplizierter aus mehr Fonds. Zusätzlich führt die Zusammenstellung eines Portfolios aus vielen ETFs zu dem Problem, dass die gleichen Wertpapiere in mehreren Indizes enthalten sind. Es ist also fast unmöglich unerwünschte Anhäufungen von Wertpapieren bestimmter Unternehmen zu vermeiden. Das wiederum bedeutet aber, indirekt spekuliert der Anleger auf diesem Weg darauf, dass diese Unternehmen, in die gehäuft investiert wird, sich besser entwickeln als der Rest. Alles in allem also auch nicht optimal.
Der Privatanleger hat, wie eingangs gesagt, keine andere Wahl und sollte daher, wenn er in ETFs investieren möchte, sich auf ganz wenige, große, etablierte, marktbreite Standard-ETFs beschränken und auf alle Versuche, Faktorprämien einzufangen verzichten.
Wir, als Vermögensverwalter, können hingegen traditionelle, institutionelle Anlagenklassenfonds einsetzen, die all das, was ETFs leisten, auch können und zusätzlich die ganzen Schwächen der ETFs nicht besitzen.
Der Nutzen?
Mehr Sicherheit, eine Vermögensverwaltung mit ruhiger Hand und langfristig eine zu erwartende Risikoprämie in Höhe von 2-3 % mehr Rendite pro Jahr. Das bedeutet auch nach Abzug unserer Kosten mehr Wert für unsere Kunden.
Christian Dagg
Der größte Feind des Anlegers ist häufig der Anleger selbst. Ein unabhängiger Berater bringt den größten Nutzen, wenn er sich zwischen den Anleger und dessen schlimmste Fehlentscheidung stellen kann. Meine Beiträge sollen wie ein Filter für vernünftige Finanzentscheidungen wirken. Ich möchte belastbare Fakten und gesunden Menschenverstand im Zusammenhang mit Finanzthemen in den Vordergrund stellen und versuchen, dies so zu erklären, dass es jeder für sich einordnen kann.
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