Das beste Investment in diesem Jahr
Häufig lese ich, Aktien im Bereich Wasserstofftechnologie sind ein Geheimtipp. Oder Bitcoin werden angepriesen oder Tesla oder besonders unterbewertete Dividendenaktien. Tatsächlich bin ich der Ansicht, das beste Investment für 2022 wird sein, sich in Disziplin zu üben. Es ist noch nicht absehbar, wie die Corona-Pandemie weitergehen wird, steigende Inflationsraten werden erwartet, die amerikanische Fed hat angekündigt, die Zinsen anzuheben und auch die EZB steht unter Druck. Was ich damit sagen will, - alles Erdenkliche ist unter diesen Vorzeichen vorstellbar.
Eine besonders wichtige Lehre der Geschichte ist, dass gerade die Dinge, von denen man im Augenblick absolut überzeugt ist, sich nachträglich als gar nicht so überzeugend herausstellen. Deshalb ist Disziplin so wichtig. Es ist besser, diszipliniert bei seiner Strategie zu bleiben, statt wegen neuer „Erkenntnissen“ die Strategie zu ändern.
Nehmen wir beispielsweise die Zinspolitik der Fed. Offiziellen Verlautbarungen zufolge wird sie den Zins in drei 0,25 %-Schritten anheben. Das nehmen die meisten Anleger als bare Münze und wollen ihr Investment danach ausrichten. Im Grunde ist aber noch alles offen. Man muss nur in die 90-iger zurückschauen, um zu sehen, dass die Fed manchmal die Zinsen völlig überraschend hebt oder senkt und dabei nicht nur das Gegenteil von dem tut, was die Märkte erwarten, sondern auch von dem, was sie selbst zuvor gesagt hat.
Oder nehmen wir die fulminante Kursentwicklung der Aktienmärkte in letzter Zeit. Der amerikanische Aktienmarktindex S&P 500 hat letztes Jahr 27% plus gemacht und über die zwanzig letzten Jahre im Schnitt eine jährliche Rendite von 9,5% erwirtschaftet. Es ist schon fast Konsens, dass das nicht so weiter gehen kann. Selbst ich kann mich nicht davon frei machen, irgendwie jetzt erstmal niedrigere Renditen zu erwarten. Die historischen Daten sagen aber etwas anderes. Für den S&P 500 haben wir Zahlen seit 1926 und nachfolgend ist dargestellt, wie die Wertentwicklung der kommenden zehn Jahre jeweils abhängig von der Performance der vorherigen 20 Jahre ausgesehen hat.
Ich habe den Bereich um 9,5% Durchschnittsrendite blau eingerahmt. Historisch betrachtet liegt die Erwartung für die kommenden zehn Jahre also irgendwo zwischen einer Verdrei- bis Versechsfachung des heute investierten Kapitals (das entspricht einer Durchschnittsrendite von 11% bis 19%). Das muss nicht so kommen, aber wer jetzt unbedingt mit niedrigen Renditen rechnet, kann also ganz schön daneben liegen.
Ein weiteres, beliebtes Argument sind die derzeit hohen Marktwerte von Unternehmen. Hierzu wird das Verhältnis der Börsenkurse zu den Unternehmensgewinnen betrachtet (price/earnings-ratio genannt). Und wenn Unternehmen so überbewertet sind, wie es aktuell erscheint, muss es irgendwann zu einer negativen Entwicklung kommen, lautet die Schlussfolgerung. Die genaue Betrachtung zeigt allerdings, dass nur wenige, große Unternehmen außergewöhnlich hoch bewertet sind. Die Mehrheit der Unternehmen hat im Mittel stabile Bewertungen. Es gibt also genug Gründe, investiert zu bleiben.
Eine Börsenweisheit lautet: „Die Börsen werden immer tun was nötig ist, um so viele Menschen wie möglich zu bescheißen.“ Das gilt auch für 2022. Deshalb bleibt Disziplin so wichtig für den Anleger. Wer seine langfristige Strategie aufgrund von tagesaktuellen Überzeugungen anpasst, riskiert am Ende des Tages böse Überraschungen – spätestens auf lange Sicht.
Möchten Sie also 2022 in mehr Disziplin investieren? Dann denken Sie daran, es geht darum, eine Verhaltensweise zu trainieren. Und unser Verhalten hängt stärker als wir denken davon ab, was leicht und was schwer geht. Das kann man sich zu Nutze machen und bei Dingen, die man sich abgewöhnen möchte, künstlich Widerstände einbauen. Wer sich seltener von Schlagzeilen oder Börsenkursen ablenken lassen möchte, kann beispielsweise die zugehörigen Apps deinstallieren oder wenigstens das Handydisplay von farbig auf schwarz-weiß (Graustufen) stellen.
Letzten Endes läuft es darauf hinaus, dass erfolgreiches Investieren nicht daraus besteht, ständig die richtigen Entscheidungen neu treffen zu müssen: Eine Reihe von Verhaltensweisen, guten Angewohnheiten, die man sich zulegt und pflegt, führt zu erfolgreichem Investiertsein.
Christian Dagg
Der größte Feind des Anlegers ist häufig der Anleger selbst. Ein unabhängiger Berater bringt den größten Nutzen, wenn er sich zwischen den Anleger und dessen schlimmste Fehlentscheidung stellen kann. Meine Beiträge sollen wie ein Filter für vernünftige Finanzentscheidungen wirken. Ich möchte belastbare Fakten und gesunden Menschenverstand im Zusammenhang mit Finanzthemen in den Vordergrund stellen und versuchen, dies so zu erklären, dass es jeder für sich einordnen kann.
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