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der DAGG.INVEST Vermögensverwaltung

"Hope-surfing" statt "Doom-scrolling"

von Christian Dagg
  • Finanzpsychologie

Dass wir uns von der Bankpanik nicht anstecken lassen müssen, ist geklärt. Aber lassen Sie uns doch mal sehen, was wir aus dem Fall der Silicon Valley Bank (SVB) mitnehmen können.

Was ist dort genau passiert? Zunächst mal gar nichts Verwerfliches: Die SVB hat von Ihren Kunden Gelder auf Giro- und Tagesgeldkonten eingezahlt bekommen. Bei vielen Kunden und vielen Geldern kann die Bank eigentlich davon ausgehen, nur einen Bruchteil täglich verfügbar haben zu müssen. Wie es sich für eine Bank gehört, hat die SVB für einen Großteil der Gelder längerfristige Staatsanleihen gekauft und an der Zinsdifferenz zum Giro- bzw. Tagesgeld verdient*. Solange die Staatsanleihen bis zur Fälligkeit gehalten werden, ist das ein sicheres Geschäft. So weit so gut, doch dann ist eine Menge schiefgelaufen:

Die SVB Kunden sind zu einem großen Teil besondere Kunden, nämlich Start-ups, die anstelle von ein paar Dollar enorme Mengen von Cash auf ihren Konten horten. Also viel mehr als durch die Einlagensicherung gedeckt ist. Geld, das sie von ihren Wagniskapitalgebern erhalten hatten, um ihr Business aufzubauen. Diese Kunden hat nun im plötzlich negativen Marktumfeld der Glaube verlassen. Anstatt daran zu denken, wie sie bald erfolgreich sein und viel Geld verdienen werden, haben sie vor allem überlegt, wie sie halten können, was sie haben. Und dann haben die ersten begonnen, ihr Geld bei der SVB abzuziehen… Die SVB musste also einen Teil der langfristigen Staatsanleihen vorzeitig mit Verlust verkaufen. Das sprach sich schnell bei den Start-ups in Weltuntergangsstimmung rum. Und auf einmal wollte jeder sein Geld, das ja nicht durch die Einlagensicherung gedeckt war. Und die SVB musste Verlust über Verlust anhäufen, für die vorzeitigen Verkäufe der Staatsanleihen – bis es irgendwann zu viel war.

Ich finde, wir können aus dieser Geschichte als mahnendem Beispiel einige Lehren ziehen, - allgemein und in der speziellen Situation als Anleger:

Das Leben ist voller schwieriger Herausforderungen und "Shit happens". Aber wenn man an den Punkt kommt, dass man nur noch mit Angst auf das schaut, was kommt, dann kann es leicht passieren, dass man selbst verursacht, was einem kurz darauf um die Ohren fliegt.

Es ist eine historische Parallele, dass Gesellschaften, die überzeugt sind, dass die Zukunft nur Verschlechterungen bringen wird, sich in einer selbsterfüllenden Prophezeiung verrennen. Wenn die Mehrheit die Gegenwart für korrupt und marode hält, geht der gesellschaftliche Glaube an die eigene Fähigkeit verloren, drängende Probleme zu lösen. Wohin das führt, ist eine Kurzfristigkeit im Denken. Jeder ist nur noch darauf bedacht, für sich rauszuholen, was geht. Kollektives Mistrauen und Dysfunktionalität dominieren mehr und mehr die gesellschaftlichen Prozesse. Warum um andere kümmern? Warum an allgemeinen Problemen arbeiten? Warum in Neues investieren? Hauptsächlich für sich und den eigenen Klan bei der Verteilung des Status Quo das Meiste rausholen – das ist dann das historisch dominierende Muster solcher Gesellschaften auf dem Weg in den selbstgewählten Untergang.

Deswegen bin ich für „Hope-Surfing“ statt „Doomscrolling“. Der Blick zurück auf 2022 zeigt neben enormen Erschütterungen und Verwerfungen doch vor allem eine extrem gutartige Weltwirtschaft. Verglichen mit der Hysterie der eintreffenden Hiobsbotschaften zeigt sich allerorts vor allem eine beeindruckende Stabilität der Verhältnisse. Sind wir möglicherweise so verwöhnt, dass wir unsere Maßstäbe immer höher setzen, um das Positive zu sehen? Krankheiten wurden geheilt, Demokratien haben sich behauptet, technologische Fortschritte wurden gemacht und die Wirtschaft ist viel stabiler als die meisten gedacht hätten. Im Großen und Ganzen geht unsere Welt erstaunlich gutmütig mit uns um. Das ist kein apokalyptischer Drache, sondern eine Welt, die darauf wartet, dass es uns gelingt unsere Probleme zu lösen. „Hope-Surfing“ ist dazu das bessere Mindset.

Mit „Hope-Surfing“ meine ich, den Blick für Fortschritte zu schärfen und auf langfristigen Erfolg zu setzen.

Das sind auch die wichtigen Lehren der SVB-Krise für Anleger:

  1. Es ist fahrlässig, unbesichert einseitige Wetten einzugehen, wie die SVB es getan hat.
  2. Es ist unvernünftig, sich von einzelnen Vertragspartnern abhängig zu machen und Klumpenrisiken einzugehen, wie es die Kunden der SVB getan haben.
  3. Es ist aussichtslos, bei der Geldanlage immer nur auf kurzfristige Ereignisse zu reagieren, wie es die Spekulanten an der Börse gerade wieder tun, und die langfristige Perspektive zu verlieren.

Neben einem handwerklich gut und vernünftig aufgesetzten Investmentportfolio hilft hier auch „Hope-Surfing“ dem Anleger, das richtige Mindset einzunehmen. An vielen Stellen schlummern in unseren Portfolios, - in Firmen, die uns heute noch wenig sagen, - schon Lösungen für unsere Probleme auf dem Weg in eine weiterhin bessere Zukunft.

Wir leben in Zeiten, in denen es vergleichsweise günstig ist, ein gesund strukturiertes Investmentportfolio aufzustocken. Wer es kann, sollte es tun. Ich plädiere für „Hope-Surfing“.

 

*) Solche sog. „Carry-Trades“ sichert die Bank üblicherweise ab. Dass die SVB dies unterlassen hat, ist unverständlich.

Christian Dagg

Der größte Feind des Anlegers ist häufig der Anleger selbst. Ein unabhängiger Berater bringt den größten Nutzen, wenn er sich zwischen den Anleger und dessen schlimmste Fehlentscheidung stellen kann. Meine Beiträge sollen wie ein Filter für vernünftige Finanzentscheidungen wirken. Ich möchte belastbare Fakten und gesunden Menschenverstand im Zusammenhang mit Finanzthemen in den Vordergrund stellen und versuchen, dies so zu erklären, dass es jeder für sich einordnen kann.

Für Anregungen und Kommentare bin ich immer offen.

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